Die Feldwarten von Quedlinburg

Anton Fiege (Januar 2020)


 

Die an oder unweit der Gemarkungsgrenzen Quedlinburgs stehenden Warttürme, ortsüblich Feldwarten genannt, sind bis heute weithin sichtbare Landmarken und ergänzen das mittelalterliche Bild der Welterbestadt. Von den einst 11 Feldwarten sind heute noch 5 Türme, eine 14 Meter hohe Ruine und zwei Ruinenhügel erhalten. Ebenso wie die bekanntere Stadtbefestigung stehen sie unter Denkmalschutz. Der Erhaltungsgrad der noch vorhandenen Warten und die Nachvollziehbarkeit des gesamten Systems aus Türmen und Landwehrgräben sind für unsere Gegend einmalig. Noch vor wenigen Jahrzehnten befanden sich die Warten in einem bedrohlichen Zustand. Bereits 1782 beklagt der Stadtsyndikus Gottfried Christian Voigt in seinem Buch „Das Stift Quedlinburg“ deren Verfall:

 

Das ganze Quedlinburgische Feld ist mit vielen Türmen und sogenannten Warten besetzt. Fast auf jedem Berge von beträchtlicher Höhe erblickt man dergleichen zum Teil schon verfallene Gemäuer. (…) Keine von diesen Festungen ist zwar in einem völligen guten Stande; aber an den mehresten ist das Mauerwerk selbst noch ziemlich vollkommen. Um die Türme findet man Spuren von Wällen und Mauern und andern Gebäuden mit welchen sie umgeben gewesen sind.“

 

Das bestehende Feldwartensystem mit Resten einer Landwehr an besonders gefährdeten Stellen ist bis heute Ausdruck einer wehrhaften Vergangenheit der aufstrebenden Bürgerschaft Quedlinburgs in der Zeit vom 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, zu der besonders das in Auseinandersetzung mit den Schutzvögten und dem Reichsstift errungene Recht auf Selbstverteidigung gehörte.

 

Der staufisch-welfische Kampf um die Königskrone, der auch in Quedlinburg ausgetragen wurde, war Anlass für eine Erweiterung der Befestigungsanlagen der Stadt. Im Vertrag von 1225 erhielten die Bürger der Altstadt durch Vermittlung eines päpstlichen Legaten das Befestigungsrecht von der Äbtissin zugesichert oder endgültig bestätigt. Auch durften bereits bestehende Befestigungsanlagen und Mauern nicht zerstört werden. 1249 wird erstmals eine Warte auf dem Hamberg in einer handschriftlichen Chronik genannt. 1336 wurden zwei Warten im Bericht über den Überfall der Grafen Albrecht und Bernhard von Regenstein auf die Quedlinburger Flur erwähnt und 1339 garantierten die Regensteiner der Stadt in einer Sühneurkunde das Recht, „Warten und Landwehre zu machen … Gräben zu machen und gemachte Gräben zu bessern.“ Doch schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts und besonders nach dem Dreißigjährigen Krieg waren die Feldwarten für die Verteidigung endgültig nutzlos geworden und verfielen zunehmend. Ausgelöst durch Reformen in der Landwirtschaft, drohte ihnen im frühen 19. Jahrhundert besondere Gefahr. Sie wurden teilweise abgetragen und ihre Steinquader für den Bau von Brücken in der Bodeaue verwandt. Dem setzte die Regierungsverfügung vom 6. Februar 1824 über die Erhaltung von Baudenkmalen und Altertümern in der Preußischen Provinz Sachsen ein Ende. Landrat Weyhe und die Bürgermeister Johann August Donndorf und Gustav Brecht engagierten sich besonders für den Erhalt der Feldwarten. Unterstützung kam vom Verschönerungsverein der Stadt. So wurden Ende des 19. Jahrhunderts zwei Feldwarten zu Aussichtstürmen ausgebaut. Bis zum Beginn des II. Weltkrieges kümmerte sich die Stadtverwaltung um den Erhalt der Feldwarten. Danach begann wieder eine Zeit des Verfalls und des Vandalismus. Zwar setzten in den 1960er Jahren Heimatfreunde die zwei zu Aussichtstürmen ausgebaute Warten notdürftig instand, dennoch waren die Feldwarten in den 1980er Jahren insgesamt in einem schlechten baulichen Zustand. In ihrer um 1985 erschienen Denkschrift: „Die mittelalterlichen Wehranlagen Quedlinburgs – Feldwarten“ schrieb Christa Rienäcker: „Wenn diese Zeugen der Vergangenheit aus der Feldflur verschwinden, würden wir damit ein unersetzliches Stück unseres kulturellen Erbes verlieren“. Gleichzeitig hoffte sie, dass sich künftig wieder Menschen dem baulichen Erhalt der Feldwarten widmeten. Ab 1991 tat dies die Stadt Quedlinburg. Über Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes hat sie die beiden Aussichtstürme reparieren lassen. Darüber hinaus wurden zwei weitere Feldwarten restauriert und zu Aussichtstürmen ausgebaut.

 

Um langfristig für den Erhalt und die Pflege des Quedlinburger Feldwarten-Systems Sorge zu tragen, schlossen sich 2005 elf Gründungsmitglieder zum „Wartenverein Quedlinburg e.V.“ zusammen. In den vergangenen Jahren haben sie in weit über 2000 Arbeitsstunden den Bestand der Warten gesichert und das Umfeld gepflegt.